CHRISTIAN HEUCHEL

KUNST UND ARCHITEKTUR

Die Stadt als Bühne

Die Stadt als Bühne

 

Was ziehe ich heute an?

Kämm dir die Haare, wenn du rausgehst! Wenn der Platz, die Straße, die Stadt eines fordert, dann ist es, unseren Habitus anzupassen. Den Pariser, den Londoner und den Römer erkennt man am Gang, an der Kleidung, am Haarschnitt. Mancher behauptet gar, man erkenne den Kölner am Geruch. Der Maler Lucio Fontana lief durch sein Rom, um sich religiös aufzuladen – für den nächsten seiner Schnitte auf Leinwand. Was wäre Jack the Ripper ohne Regen, Nebel und Pflastersteine? Die Porträts August Sanders von Kölner Bürgern, Heinrich Zilles Zeichnungen der Berliner Hinterhöfe ohne die gebauten Milieus? Die Stadt färbt ab. Über Material, Architektur und Raum. Über den Vorplatz vor den großen Kirchen, den roten Teppich vor den Opernhäusern, die großen Plätze. Als Hintergrund prägt sie die Menschen, gibt unmerkliche Regieanweisungen: Blick nach rechts, Blick nach links, geh schneller, setz dich, verhalte dich ruhig, jetzt Applaus! Man zeigt sich, flaniert, läuft oder hängt einfach nur ab. Aber bitte im zeitgemäßen Outfit! Es wäre schön, diese Essenz in einem Flakon einzufangen. Ein Substrat zu destillieren, um sich unerkannt einzuschmiegen in die Stadt.

Christian Heuchel, September 2017

Foto: Sophia Paeslack