Die letzte Kompetenz des Architekten ist seine penetrante Zuversicht. Frei nach Heiner Müller „Optimismus ist nur ein Mangel an Information“ stellt er sich gerne den ganz großen Aufgaben. Bei der Bewältigung von Krisen wie den Weltkriegen, der Wiedervereinigung und dem Untergang der Industriestandorte ist der Architekt immer der „Daniel Düsentrieb“ der Veränderung gewesen. So entstanden zur Bebilderung der Klimakrise seit den 60er Jahren pneumatische Schutzhüllen, Überlebenskapseln, winddurchspülte Raumbiegungen, ober- und unterirdische Technikmonster, das Nullenergiehaus, das Solarhaus, das Einfamilienhaus mit Wintergarten, Glashäuser mit und ohne Doppelfassade. Die Aufgabe des Architekten wird es sein, diese Prototypen aus ihrer autistischen Erscheinung zu befreien und marktfähig zu machen. Es gilt, die Klimadebatte auf der Baustelle zu lösen und nicht durch architekturästhetische Manöver zu glänzen.
Das Neue entsteht gerne innerhalb von klaren Regelwerken. Das Reiben an den Gesetzen führt in letzter Konsequenz zu einer anderen Arbeits- und Sichtweise und zu neuen architektonischen Qualitäten. Sei es, dass die Regeln eins zu eins umgesetzt werden oder man die Regeln geschickt unterwandert. Das Werk „Precis des lecons d’architecture“ von Jean-Nicolas-Louis Durand aus dem Jahre 1819 prägte 200 Jahre Baugeschichte. Die Abstandsflächenregelung in Chicago der 20er Jahre ließ eine atemberaubende und unverwechselbare Skyline entstehen. Die 1977 veröffentlichte Abhandlung „Learning From Las Vegas“ von Robert Venturi und Denise Scott Brown hat bis heute ihren Einfluss nicht eingebüßt. Das neue Regelwerk zum Klimaschutz sollte überspitzt und markant formuliert sein. Eine konsequente Umsetzung dieser Richtlinien wird in den nächsten Jahren stilbildend für die Architektur sein.
Da der amerikanische Markt die Klimadebatte als wirtschaftlich lukrativ entdeckt hat, dürfen die europäischen Architekten nicht ihren gewachsenen Vorsprung verlieren. Die klimatisierten Bürokisten der amerikanischen Großstädte haben ihren Zenit überschritten. Man wünscht sich dort innovative Konzepte: klimaschonende Haustechnik, öffenbare Fenster mit Ausblick, Natur und städtische Atmosphäre. Ein Wunsch, der in der europäischen Architekturdebatte längst als Standard gilt. Die europäische Baukultur geht seit Jahrhunderten mit Ressourcen wie Fläche, Material und Energie effektiv und behutsam um. Eine Kultur der Verschwendung ist uns dabei jedoch nie fremd gewesen. Für unsere Paläste, Museen und Monumente war schon immer Platz vorhanden. Der Akzeptanz der Bevölkerung können sich diese Schmuckstücke sicher sein, auch wenn Victor Hugo sich gezwungen sah, seine Laufwege in Paris zu ändern, damit er den Anblick des Eifelturmes nicht ertragen musste. Wir sind dabei, unsere Ressource Stadt wieder zu lieben. Ihren Mangel an Fläche, ihre Dichte, die kurzen Wege, die räumlichen Synergien, den öffentlichen Raum: Die Architektur der Zukunft ist die Stadt.
anlässlich der DBZ für junge Architekten „Was ist Nachhaltigkeit“ 2008.